AMSA / IPPNW Student Exchange Program Zambia 2009 von Markus Rossmann
Schon länger hatte ich den Wunsch die Welt ein bisschen besser kennen zu lernen und durch ein Praktikum im Ausland neue Erfahrungen in einer fremden Kultur zu sammeln. Im Jänner 2009 stieß ich zufällig auf das Student Exchange Programm der IPPNW und AMSA. Dies schien die perfekte Gelegenheit zu sein meinen Wunsch in die Tat umzusetzen. Von Afrika kannte ich zu diesem Zeitpunkt lediglich einige wenige Bilder aus den Medien. Sie waren dominiert von Korruption, Hungersnöte und Malaria. Die Einschätzung der Situation vor Ort schien mir daher schwierig, beinahe unmöglich. Ich stellte mir Fragen wie: Ist es dort möglich im Notfall Medikamente zu bekommen? Gibt es einen Supermarkt oder kauft man alle Lebensmittel von Händlern auf der Straße? Haben die Leute Autos oder bewegen sie sich mit Eselskarren voran?
Die Antwort darauf ist ein klares „jein“. Auch in Zambia – einem der ärmsten Länder der Welt – gibt es einige sehr teure Ecken. Beispielsweise die Shoppingmalls „Manda Hill“ und „Arcades“. Man bekommt dort alles, was das verwöhnte Konsumentenherz erfreut (und manchmal vielleicht benötigt), von Subway Sandwiches, einiger sehr gut ausgestatteter Apotheken, einem Kino mit 5 Sälen bis hin zu einem riesigen SPAR Supermarkt. Es gibt eigentlich nichts was es nicht gibt und obwohl man sich im „warmen Herzen Afrikas“ befindet trifft man hier fast nur Weisse. Auch Zambianische Geschäftsmänner, die sich mit einer teuren Mercedes S-Klasse durch die Gegend fahren lassen. Der größte Teil der Bevölkerung lebt allerdings in Lehmhütten auf dem Land, wo es weder Strom noch fließendes Wasser gibt.Zurück zum Anfang: trotz meiner Unsicherheit war meine Neugier schließlich groß genug, und ich entschied mich für das Programm. Am 28. Juli konnte es nach 4 Monaten Vorbereitung endlich losgehen: Nach ca. zwölfstündiger Reise kamen wir ein wenig übermüdet am Lusaka International Airport an. Am Ausgang erwarteten uns bereits unzählige Taxifahrer, die sich auf uns stürzten wie ein Rudel Wölfe auf seine Beute. Glücklicherweise hatte mein Kollege Max schon vor unserer Ankunft Kontakt mit einer befreundeten Familie aufgenommen, die uns in Empfang nahm und bei unseren ersten, doch recht unbeholfenen Schritten in der neuen Umgebung behilflich war. Lusaka ist die Hauptstadt Zambias und es leben ca. 1,5 Millionen Menschen dort. 
Am Anfang war ich einfach überwältigt von den vielen neuen Eindrücken. Nachts hatte ich Angst man könnte uns überfallen, überhaupt fühlte ich mich als Weißer in den ersten Tagen immer beobachtet. Doch schon bald legt sich die Aufregung und man gewöhnt sich an die Umstände. Man lernt wie man mit den Taxifahrern verhandeln muss, kennt Tricks und Preise und merkt, dass man sich viel freier bewegen kann als erwartet. Nach 3 Tagen begannen wir unsere 4 wöchige Famulatur am University Teaching Hospital (UTH). Es ist das Größte Krankenhaus in Zambia und verfügt über ca. 1500 Betten. Hier kann sich jeder Patient für 15.000 Kwacha behandeln lassen, das sind umgerechnet 2 Euro (ein Preis den sich die Normalbevölkerung durchaus leisten kann). Meine vierwöchige Famulatur verbrachte ich auf der Allgemeinchirurgie. Je nach Wochentag war man entweder auf Station, im OP oder in der Ambulanz eingeteilt. Die Ärzte waren alle sehr nett zu uns, außerdem hatten wir Glück, dass die heimischen Studenten im August ihre Ferien verbrachten und deshalb sehr viele Ärzte für uns Farmulanten zur Verfügung standen. Das Krankenhaus ist ähnlich aufgebaut wie eines in Europa und trotzdem ist es doch ganz anders: die Stationsbetten sind alt und rostig, die meisten Wasserhähne funktionieren nicht und Alkoholspender fehlen ganz. Für die Patienten steht keine ordentliche Bettwäsche, wie wir sie aus europäischen Krankenhäusern kennen, zur Verfügung. Die meisten bekommen eine Wolldecke ohne Überzug. Sind alle Betten in der Ambulanz belegt, werden die Patienten auf den Boden ausgelagert. In ein paar wenigen OP Sälen findet sich ein moderner EKG Überwachungsmonitor. Für die Anästhesie und zum Blut abnehmen wird zwar Einwegmaterial verwendet, es kann allerdings passieren, dass einige Medikamente vorübergehend nicht verfügbar sind. Neben der Ausstattung ist auch das Patientengut ein wenig anders. Sie haben nicht viel Vertrauen zu den weiß gekleideten Schulmedizinern im Spital. Der Großteil der Bevölkerung wohnt in kleinen Dörfern auf dem Land und man lässt sich grundsätzlich lieber vom lokalen Witchdoctor behandeln. Erst wenn die Schmerzen kaum noch zu ertragen sind, der Tumor das halbe Gesicht überwuchert oder all ihr Besitz an den Witchdoctor abgetreten wurde kommen sie ins UTH. Deshalb findet man viele Krankheitsbilder in sehr fortgeschritten Stadien. Die Ärzte sind kompetent, allerdings gibt es kaum Spezialisten (wie Kardiologen, Neurochirurgen, etc.). Oft wurde ich nach meiner Reise gefragt ob ich mich selbst als Patient dort behandeln lassen würde. Besonders wohl wäre mir wahrscheinlich nicht dabei. Nicht nur mangelnde finanzielle Mittel sind ein Problem sondern immer wieder auch die Arbeitsmoral und die Einstellung der Ärzte und Schwestern: an einem unserer OP Tage hatten wir einen 60 jährigen Risikopatienten mit vielen Begleiterkrankungen zu operieren, eine genaue Überwachung des Patienten war also dringend erforderlich. Während der Operation wurde der Patient unruhig und klagte über starke Schmerzen - doch die Anästhesistin war verschwunden. „Markus go and look for her“. Doch nichts zu machen. Nach 15 Minuten traf ich ihren Kollegen im Aufenthaltsraum der mir erzählte, dass sie schon auf dem Weg nach Hause sei, es sei ja schließlich schon 13:00 Uhr und das bedeutete Schichtende. Ob er vielleicht helfen könne, im OP sei ein Patient mit starken Schmerzen. „Yes, but not now. I’ll finish my lunch first“. 10 Minuten später war er endlich da, schimpfte über die schlechte Laune der Chirurgen und verabreichte die Medikation. Daneben gibt es natürlich auch sehr engagierte Ärzte, die eher unseren europäischen Erwartungen entsprechen und sich um ihre Patienten bemühen. Wie zum Beispiel Dr. Matthew, der zusammen mit Kollegen das Doctors Outreach Care gegründet hat - ein Projekt, das mit freiwilliger Hilfe von Ärzten, Schwestern und Studenten versucht die medizinische Versorgung in ländlicher Gegend zu verbessern. Ein „Krankenhaus-Truck“ mit Waschbecken, Liege etc. dient als Behandlungsraum. Alle Medikamente werden kostenlos an die Patienten ausgegeben. Auch wir konnten an einigen Nachmittagen teilnehmen und es hat viel Spaß gemacht.  Alles in allem war meine Zeit auf der chirurgischen Station sehr spannend, es gab viel zu sehen (vor allem viel HIV) und ich durfte regelmäßig bei großen Operationen assistieren. Den Nachfolgenden Generationen des StEPs würde ich trotzdem von einer Famultur auf der Chirurgie abraten. Das Risiko einer HIV Infektion ist um einiges höher als auf anderen Stationen, besonders im OP geht es oft ein wenig rabiat zur Sache.Nach den ersten vier Wochen ging die Reise für uns weiter zum Koinonia Mthunzi Center, 30 Minuten von der Hauptstadt entfernt. Das Koinonia Mthunzi Center ist ein Waisenhaus, in dem ungefähr 100 Jungen im Alter von 12 bis 21 Jahren leben. Finanzielle Unterstützung kommt durch Spenden aus Europa, vor allem durch Organisationen in Italien und Schottland. Die Anlage liegt idyllisch in Mitten der Afrikanischen Steppe. Nach einem Monat Trubel in der Großstadt war ich froh, dort ein bisschen Ruhe und Gelassenheit zu finden. Mit uns waren noch 3 SozialarbeiterInnen aus Italien vor Ort, die das Waisenhaus schon aus dem letzten Sommer kannten. Wir wurden freundlich und warmherzig empfangen. Am ersten Abend präsentierten wir in großer Runde die Spenden, die wir aus Europa mitgebracht hatten. Großen Jubel gab es als Max die Sporttasche mit Fußballartikeln präsentierte, die er noch vor Reiseantritt bei PUMA organisiert hatte. Zu unserer Begrüßung wurde anschließend gesungen, getrommelt und getanzt. Unsere Aufgaben im Waisenhaus waren nicht klar definiert, so konnten wir unseren Tagesablauf selbst bestimmen und versuchten zu helfen, wo wir konnten. Wir engagierten uns beim Anbringen von Lampen, fegten Hof und Garten, halfen beim Kochen. Doch die meiste Zeit verbrachten wir mit den Jungen, beim Fußballspielen, Trommeln oder auf kleinen Exkursionen durch die nähere Umgebung. Auf dem Gelände des Mthunzi Centers befand sich auch eine kleine Klinik. Einmal pro Woche kam Dr. Mtonga – Arzt und Mitarbeiter der IPPNW, der während der ganzen Zeit in Zambia unser Hauptansprechpartner war – im Waisenhaus vorbei und betreute Patienten, die aus der gesamten Umgebung zu ihm kamen. Auch hier waren wir behilflich und übten uns im Verabreichen von Impfungen und beim Untersuchen von Patienten.Zum Abschluss unserer Reise hatten wir die Chance das südliche Afrika auch als Touristen zu entdecken. Zunächst verbrachten wir ein paar Tage im Lower Zambezi Nationalpark mit 2 Safaris und einer Kanutour. Anschließend reisten wir zum Lake Malawi, der zweitgrößte See Afrikas, danach ging es zurück nach Lusaka und weiter in den Süden Zambias, nach Livingstone zu den Victoria Fällen.
Die letzten Tage vergingen zunehmend schnell, und ich fühlte mich schon ein wenig zu Hause. Besonders beeindruckt hat mich die offene und fröhliche Art der Afrikaner. Zu Beginn meines Berichtes schrieb ich, dass ich mich in der ersten Zeit als Weißer häufig beobachtet gefühlt habe. Dieses Gefühl hat sich schnell relativiert, weil die meisten Einheimischen sehr unvoreingenommen auf mich zukamen und ich mich so bald als Teil des Ganzen empfinden konnte. Viele Dinge, die uns in Europa vielleicht befremdlich erscheinen würden, funktionieren in Zambia ganz selbstverständlich. So ist es beim Busfahren beispielsweise eher die Regel als die Ausnahme, dass 20 Leute dicht gedrängt ganz problemlos in einem winzigen Bus Platz finden und dabei auch noch ihre Einkäufe irgendwo verstauen. Der Businessman sitzt im Anzug dicht gedrängt neben dem Bauern und dem Federvieh und irgendwo dazwischen saßen wir. Alle sprechen lauthals und engagiert miteinander und sollte es doch mal etwas eng werden, findet man eben eine Lösung…Beim nächsten Mal würde ich den größtmöglichen Rucksack verwenden und ihn nur halb voll packen. Man benötigt vor Ort nicht viel, und nur dank einer 3. Tasche konnten wir alle Holzelefanten und Krokodile wieder nach München transportieren. Besonders hilfreich war es, zu zweit unterwegs zu sein. Es hat auch viel geholfen, dass wir sowohl vor als auch während der Reise guten Kontakt zu einer Zambianischen Familie.Alles in allem war die Zeit in Zambia großartig und ich würde jederzeit wieder hinfahren. Ich kann jedem Interessierten nur raten, sich dieser oder einer ähnlichen Erfahrung zu öffnen. Vor allem für meine persönliche Entwicklung habe ich die Reise als sehr wertvoll empfunden. Es hat mir gezeigt, dass es den Menschen in Mitteleuropa sehr gut geht und dass wir froh über die Qualität unseres Gesundheitssystems sein sollten. Trotzdem haben die ZambianerInnen nicht weniger glücklich gewirkt als die Europäer, eher im Gegenteil. Von der lebensbejahenden Mentalität der Zambianer kann man viel lernen. Sie zeigt einem, dass viele unserer alltäglichen Sorgen den Kummer im Grunde gar nicht wert sind. |