Zambia 2009 (3)
Tuesday, 29. December 2009

ZAMBIA – A different World

Ein Erfahrungsbericht von Markus Stadlmayr

Es ist Montag der 28. September und ich befinde mich in einer Maschine der South African Airlines von Johannesburg Richtung München. Mit mir ein Studienkollege und mittlerweile auch Freund Markus Rossmann. Vor gut 8,5 Wochen, am 30. Juli, sind wir mit genau dieser Maschine in Richtung Afrika, in eine für uns bis dato unbekannte Welt aufgebrochen. Wir, zwei Medizinstudenten aus Wien mitten im 2. Studienabschnitt, hatten uns entschlossen 4 Wochen in einem Krankenhaus in Lusaka, Zambia und anschließend noch eine Weile in einem örtlichen Waisenhaus zu arbeiten. Dies wurde uns durch die international tätige Organisation „ippnw“ ermöglicht. Administrative Tätigkeiten, wie Visa-Beantragung und etwaige Impfungen, erledigt, machten wir uns voller Anspannung und Vorfreude auf Weg auf unsere Reise. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch keine wirkliche Vorstellungen davon, was wir in den kommenden gut 2 Monaten so alles erleben würden.


Gut in Lusaka angekommen, hatten wir die Möglichkeit die ersten paar Tage bei einer einheimischen Familie zu wohnen, die uns den Einstieg in die zambianische Kultur um vieles erleichterte. Vom ersten Moment an, als wir den kleinen Flughafen etwas ausserhalb von Lusaka, der Hauptstadt von Zambia, verließen, war uns klar, dass das Leben hier nicht mit unserem bisher bekannten zu vergleichen war. Alleine sich als Magnet für Blicke und Aufmerksamkeit in einer Stadt zu bewegen (Zambia hat eine Einwohnerzahl von ca. 10 Millionen Menschen;darunter etwa 1-2 % hellhäutige.... Gefühlt waren es noch weniger) war interessant und anfänglich schon auch noch etwas beunruhigend. Nach den ersten Tagen, in denen wir schon viel von der allgegenwärtigen Freundlichkeit der Menschen uns gegenüber kennenlernen durften, sind Markus und ich in das „Schwesternhaus“ des University Teaching Hospitals (UTH) gezogen. „Basic“ traf unsere Wohnsituation wohl ziemlich gut. Ausgestattet mit den richtigen Mosquito-Netzen konnten wir es uns jedoch auch in den ziemlich bescheidenen Einzelzimmern gemütlich machen. An den Umstand, dass es ab 18 Uhr kein fließendes Wasser mehr gab, weder in den Toiletten noch in den Duschen, mussten wir uns erst gewöhnen.

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Nach 3 Tagen begann schließlich unsere Famulatur im größten und wichtigsten Krankenhaus in Zambia. Die kommenden 4 Wochen verlangten uns in intellektueller als auch in emotioneller Weise einiges ab. Zusammenfassend sage ich immer, dass ich meine Zeit im UTH wohl als interessant, erschreckend sowie als lehrreich beschreiben würde. Vom ersten Moment an war ziemlich klar, dass es hier nicht um Schönheitsfehler oder die perfekte Therapie mit bestmöglichem Outcome gehen würde, sondern in vielen Fällen einfach „nur“ um das nackte Überleben. Prägend war für mich mit Sicherheit einer der ersten Eindrücke beim Rundgang durch das Krankenhaus, bei dem wir uns ein bisschen mit der Umgebung vertraut machen wollten. Angekommen in der Ambulanz für chirurgische Patienten mussten wir sogleich einem Bediensteten Platz machen, der 4 Verstorbene, spärlich in schmutzige Leintücher gehüllt, an uns vorbei in Pathologie brachte. Bis zu diesem Zeitpunk war ich in meinen Famulaturen in Österreich nur selten mit dem Tod konfrontiert worden. Für uns beide standen 4 Wochen auf der Allgemeinchirurgie auf dem Programm, ich wechselte jedoch nach 2 Wochen auf die Pädiatrie.

Jemandem, der ein entwickeltes Krankenwesen mit hohen Standards, wie das österreichische gewohnt ist, stach vor allem die an allen Ecken und Enden mangelnde Hygiene ins Auge und „in die Nase“. Auf den Stationen lagen die Patienten in ihren eigenen, meist stark verschmutzten Kleidern in ihren Betten (sofern es welche für sie gab und sie nicht am Boden auf zentimeterdünnen Matratzen liegen mussten). V orrichtungen zur alkoholischen Händedesinfektion, die uns in gefühlten 10-Meterabständen vorhanden sind, suchten wir vergebens. Oft gab es nicht einmal ein funktionierendes Waschbecken. Nicht unerwartet war auch der Mangel an technischem Equipment und medizinischen Hilfsmitteln - Schauergeschichten, wie das mehrmalige Verwenden von Nadeln zum Blutabnehmen an unterschiedlichen Patienten konnten wir aber Gott sei Dank nicht bestätigen.

Unter diesen Voraussetzungen war es auch verständlich, dass Mortalitätsraten uns gewohnte weit übersteigen. Todesfälle stehen wie bereits weiter oben erwähnt an der Tagesordnung. Eine Situation mit der wir erst einmal umgehen lernen mussten. Zu den häufigsten Krankheitsbildern zählten: HIV (in ganz Zambia sind ca. 20% betroffen, im Krankenhaus waren es ca. gefühlte 60-70%) und damit assoziierte Krankheiten, wie besonders die Tuberkulose, Malaria, Unfallopfer (durch Verkehrsunfälle als auch durch Gewaltverbrechen) und ,im besonderen auf der Pädiatrie, das Problem der Mangelernährung.

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Ich selbst nahm am klinische Alltag Teil, indem ich bei etwaigen Operationen assistierte und auch gewöhnliche Tätigkeiten wie Blutabnehmen oder das legen von venösen Zugängen durchführte. Bedside-Teaching wurde von den Oberärzten als Form der Wissensvermittlung und -überprüfung verwendet. Ich hatte die Gelegenheit bei Diskussionen bezüglich etwaigen Diagnosefindungen oder Therapieplanungen teilzunehmen und fühlte mich von den tätigen Ärzten respektiert und geschätzt. Zum Handeln der Ärzte an sich möchte ich sagen, dass sie meiner Meinung nach unter diesen Bedingungen tolle Arbeit leisteten. Sie zeichneten sich durch ein breitgefächertes Wissen aus, da es Spezialisten mit unseren Fachärzten vergleichbar, eigentlich kaum gab. Eingeschränkt durch die vorherrschenden Voraussetzungen, versuchten sie, meist auch auf Erfahrungen basierend, den Patienten bestmöglich zu helfen. Doch muss ich auch eine manchmal mangelnde Arbeitseinstellung kritisieren. Die Chirurgen meiner Unit gingen so zum Beispiel an 3 von 5 Tagen unter der Woche ungefähr um 13 Uhr nach Hause. Dies, obwohl noch einiges an Arbeit zu verrichten gewesen wäre und ich denke, dass hier schon noch einiges an Potential für eine bessere Versorgung der Patienten zu finden wäre.

Von links: James, ein Medizinstudent aus Newcastle, ich und Markus am Gelände des UTH.

Besonders gefallen hat mir die Möglichkeit an sogenannten „Outreaches“ teilzunehmen. Hierbei fuhr eine kleine Gruppe von Ärzten 1-2 mal wöchentlich mit einer mobilen Klinik an den Stadtrand und untersuchte Patienten vor Ort. Selbständig versorgte ich Patienten im Alter zwischen 2 Monaten und 50 Jahren und bekam Unterstützung von den erfahrenen Ärzten sobald ich an meine klinischen Grenzen stieß oder ich die Sprachbarriere (denn viele Leute sprachen sehr schlecht bzw. kein Englisch) nicht überwinden konnte.

Die Zeit im Krankenhaus, und besonders die 2 Wochen auf der Pädiatrie, waren für mich sehr wertvoll. Noch nie konnte ich so viele komplexe und exotische Krankheitsbilder mit eigenen Augen sehen und meine Techniken der „Basisuntersuchung“, wie die Palpation oder die Auskultation, so intensiv trainieren.

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Anschließend an unsere Zeit im UTH folgten für Markus und mich nicht ganz 2 Wochen in einem örtlichen Waisenhaus, dem Koinonia Mthunzi Community Centre. Dort leben zwischen 60 und 100 Buben, da einige während der Schulzeit in Internaten wohnen, im Alter von 12 bis 22 Jahren. Sie kommen aus zerrütteten Familien, sind entweder Vollwaisen, Halbwaisen oder andere soziale Umstände machen es Ihnen nicht möglich bei ihren Familie zu leben.

Wartende Patienten vor einer der mobilen Kliniken bei einem Outreach-Projekt.

Markus und ich waren in einem separaten Gebäude, in dem auch einige Italienier wohnten, untergebracht. Sie gehörten teilweise dem Hauptfinanciers des Waisenhauses, der N.G.O. „AMANI“, an. Spezielle Aufgaben wurden uns nicht zugeteilt. Vielmehr konnten wir uns einfach unter die Kinder mischen und uns mit ihnen beschäftigen. Im Grunde „lebten wir diese 10 Tage ganz einfach mit ihnen“- erzählten von Österreich und Europa, ließen uns von ihnen Geschichten erzählen, lernten ein bisschen zu Trommeln und spielten mit ihnen Fussball.

Es stand uns frei, wie sehr wir uns involvieren wollten, wurden aber sehr gut aufgenommen und fühlten uns eigentlich ab dem ersten Moment gut aufgenommen und schon fast als Teil dieser großen Community. Schon in kurzer Zeit war es mir möglich eine unglaubliche Nähe zu den Jungs aufzubauen und so konnte ich mehr über ihr Leben, ihre sozialen Umstände als auch über ihre Wünsche und Ziele erfahren. Einmal mehr zeigte sich mir die unglaubliche Wärme und Freundlichkeit, die ich in Zambia immer wieder zu spüren bekam. Auch hier war der Lebensstandard sehr gering, doch besonders hier zeigte sich, dass es wichtigere Dinge als eine warme Dusche und das neueste Fernsehprogramm gibt. Der Zusammenhalt der Jungs und das Miteinander in dem die älteren sich um die jüngeren kümmerten und somit Teil ihrer Erziehung wurden hat mich sehr geprägt und mich mit vielen schönen Erinnerungen reicher das Waisenhaus auch wieder verlassen lassen.

Nach diesen ca. 6,5 Wochen, in denen wir unsere Pflicht, die uns nicht als eine solche vorkam, erfüllt hatten, standen Markus und mir noch and die 2 Wochen Zeit zu reisen zur Verfügung. Natürlich hätten wir gerne viel vom Kontinent Afrika gesehen, aber aufgrund der limitierten Dauer für unsere Reisen beschränkten wir unsere Reiseziele auf einige wenige.

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Auf dem Plan stand eine 3-tägige Safari entlang des Ufers des Lower Zambesi Rivers, ein Trip ins angrenzende Malawi, um den eindrucksvollen Lake Malawi zu besichtigen und als gehöriger Abschluss unserer Reise sollten einige Tage in Livingstone an den Viktoria Fällen dienen.

Auch bei diesen Unternehmungen war es uns wieder möglich Land und Leute besser kennenzulernen. Denn bei mehrstündigen Busfahrten zu 25-igst in einem Bus, der bei uns für gerade einmal 9 Personen zugelassen wäre, bekam man schon die ein oder andere Möglichkeit sich mit den ansässigen Menschen auszutauschen - sei es mit einfachem

Markus und ich mit ein paar Jungen des Mthunzi Centers.

Englisch, Bruchstücken aus einer der 72 Nationalsprachen Zambias oder ganz einfach mit Händ und Füßen. Von den naturgegebenen Schönheiten abgesehen, lernten wir erneut interessante Menschen kennen, die uns ihre Lebensgeschichten erzählten und uns mit Interesse nach unseren eigenen Erfahrungen befragten.

Abermals wurden wir mit der im ganzen Land herrschenden Armut konfrontiert. Aber auch mit dem Faktum, dass die Leute damit umzugehen lernen, ihre positive Lebenseinstellung und Optimismus nur in den seltensten Fällen verlieren und sich gegenseitig unterstützen wo es nur irgendwie geht.

Livingstone mit den atemberaubenden Viktoria Fällen, erneuten Safaris und zahlreichen Outdoor-Aktivitäten, wie Bungee und Weißwasser-Rafting, machte uns den Abschied von Zambia und Afrika nur noch schwerer.

In diesen 8,5 Wochen hatte ich die Möglichkeit sehr viele tolle und interessante Menschen kennen zu lernen - angefangen von Interns und Oberärzten im Krankenhaus, über engagierte Mitarbeiter zahlreicher NGOs und wissbegierige Jungen im Waisenhaus, bis hin zu Einwohnern kleiner Lehmdörfer, die wohl zum ersten Mal in ihrem Leben einen „Mizungo“ (einen „Weißen“) kennengelernt haben.

Mit Sicherheit habe ich mich im medizinischen als auch im persönlich-emotionalen Bereich weiterentwickelt. Ich habe viele tolle, aber auch erschreckende Erfahrungen gesammelt und es wird wohl auch noch einige Zeit dauern bis ich die meisten Erfahrungen bewusst verarbeitet haben werde.

Ich bin unheimlich froh einen Sommer in Zambia zu verbracht und mit den dort lebenden Menschen gearbeitet zu haben und werde mit ziemlicher Sicherheit auch noch einmal nach Afrika zurückkehren.